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„Das Verständnis muss wachsen, dass es nicht mehr so weitergeht und eine Zeitenwende eingeläutet wird!”

Ressourcenschonung, vermehrter Einsatz pflanzlicher Proteine, Emissions- und Abfallreduktion, regionale Beschaffung, achtsame Kommunikation, Mitarbeiterfindung und -bindung … die To-do-Liste für die Hospitality-Branche auf einem Weg in eine nachhaltigere – enkeltaugliche! – Zukunft ist lang. Als Experten in ihren jeweiligen Disziplinen konnten Frank Maßen, Eaternity-Geschäftsführer Manuel Klarmann, Bernd Schöpplein, CEO Enyore, Helmut Franceschini, Founding Partner und CEO des Südtiroler Beratungs- und Venture-Building-Unternehmens Fynn Strategies, sowie Thorsten Rensing, der mit seinem Start-up Smartchilli Unternehmen und Mitarbeiter in der Event-Branche zusammenbringt, auf die Fragen der rund 100 Teilnehmer inspirierende Antworten geben.
Das kürzlich in Kraft getretene Gesetz zur Mehrwegangebotspflicht war Anlass für Frank Maßen und seine Mitgründer, die Initiative Reusable to go ins Leben zu rufen. „Dass dieses Gesetz so wie es aktuell gestaltet ist, in die Hose geht, war von Anfang an klar – sogar der Politik”, fand der ehemalige CEO von Carlsberg mit seinen deutlichen Worten. „Es bringt nur Stress für Gastronomen und Verbraucher, aber keinen Nutzen.” Reusable to go holt deshalb Getränkefachgroßhandel, Dehoga, den Arbeitskreis Mehrweg sowie die Umweltministerien in Hessen und Rheinland-Pfalz an einen Tisch, um für Food-Mehrwegsysteme die Grundvoraussetzungen für eine verwendungsnahe und systemunabhängige Rückgabe zu schaffen. In Kürze startet in Wiesbaden und Mainz ein Pilotprojekt mit einem digitalen und offenen System, bei dem eine Datenplattform die Ausgabe- und Rücknahmestellen vernetzt werden, um die bereits bestehenden regionalen Angebote für Logistik und Reinigung des Mehrweggeschirrs zu bündeln.

Attraktive Anreize für Veränderung setzen

Die Müllbilanz von Lieferessen ist auch Bernd Schöpplein ein Dorn im Auge: „Die aktuell im Markt aktiven Lieferdienste sind kein Vorbild für uns, da sie viel zu viel Verpackungsmüll produzieren”, betont der Visionär mit 25 Jahren Erfahrung in der IT-Branche. Er plant dagegen einen Lieferservice mit einem individuell auf die Kunden im Business Catering zugeschnittenen Angebot, der das Verpackungsmanagement nachhaltiger und ressourcenschonender organisiert, regionale Foodpartner einbezieht und mithilfe von datengestützten Prognosen Überproduktionen verhindert. „Wir wollen nicht evangelisieren und nicht verbieten, sondern Anreize setzen. Jeder Mensch ist veränderungsbereit, wenn man ihm attraktive Alternativen bietet”, ist der Unternehmer überzeugt.
Mit seinem Aquaponik-Start-up Solos verbindet Helmut Franceschini nach uralter Methode Fischzucht und bodenunabhängigen Gemüseanbau in einem Kreislauf, der Dünger und Pestizide überflüssig macht und minimale Wassermengen verbraucht. „Da unsere Anlagen überall aufstellbar sind, profitieren wir von kurzen Wegen und benötigen keine Verpackungen”, erklärte der Unternehmer. Pro Woche produziert Solos mehr als 2.200 Salatköpfe. Franceschini sieht Trends wie Konnektivität, das verstärkte Miteinander von Mensch und Umwelt und die Purpose Economy als Treiber der digitalen Zukunft, in der „New Life” und „New Work” die Grenzen verschwinden lassen. Die Digitalisierung müsse man nutzen, um Skalierung nachhaltiger Ideen, die häufig auf Kosten ebendieser Nachhaltigkeit geht, zu ermöglichen, so sein Anspruch.

Verzicht auf tierische Produkte verbessert die Klimabilanz

Manuel Klarmann, der in mehr als 400 Restaurants für jedes Gericht die CO2-Emissionen ermittelt und gemeinsam mit den Gastronomen nach Wegen sucht, diese zu verringern, wies darauf hin, dass ein Großteil dieser Emissionen durch Düngemittel, Methangasausstoß der Kühe, Verpackung und Transport entsteht. „Letzteres ist allerdings zu vernachlässigen. 50 bis 60 % des CO2-Ausstoßes werden durch Milch- und Fleischprodukte verursacht.”  Auf sie zu verzichten, ist der leichteste Weg, die Klimabilanz eines Restaurants zu minimieren. „Dennoch ist es nicht der richtige Weg, die Gäste zu bevormunden”, betonte Klarmann. Um die Klimaauswirkungen eines Gerichts gegenüber dem Kunden transparent abzubilden, hat Eaternity eine Ampel entwickelt: „Sie zeigt grüne Menüs und rote Menüs. Der Gast entscheidet selbst, ob er enkeltauglich essen möchte oder nicht.” Dabei bestehe die wirkungsvollste Maßnahme darin, klimafreundlich so zu kochen, dass es den Menschen richtig gut schmeckt, empfahl Klarmann: „Veränderung geht durch den Magen!”

Wenn Mitarbeiter und Arbeitgeber „tindern”

Ein sozial nachhaltiger Umgang mit der immer wertvolleren Ressource Mitarbeiter ist das Ziel von Thorsten Rensing. Seine App Smartchilli ist so etwas wie das Tinder der Hospitality-Branche, denn es bringt Arbeitgeber und Mitarbeiter mit wenigen „Swipes” zusammen. „Wir machen den Minijobbern Vorschläge, zu denen sie ja oder nein sagen können. So entscheidet jeder selbst, wann oder wo er arbeiten möchte. Die Mitarbeiter fühlen sich einbezogen und in ihren Bedürfnissen gewertschätzt.” Von den 1.500 aktiven Nutzern der App sei ein Großteil jeden Tag im System online, berichtet Rensing. „Sie haben Angst, spannende Jobs zu verpassen.” Unternehmen können die Mitarbeiter der Zukunft dem Experten zufolge nur mit glaubwürdig und nachhaltig gelebten Werten erreichen. „Meine Mitarbeiter organisieren am Gast meinen Profit. Ich muss in sie investieren, meine Werte glaubwürdig leben und Rückgrat zeigen.”

Die Videos in voller Länge stehen in Kürze hier zur Verfügung.