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Wie wenige Orte in Berlin steht das ehemalige Kunsthaus „Tacheles” an der Oranienburger Straße im Bezirk Mitte für die freie und alternative Kunstszene vor allem der Nachwende-Jahre. Dabei beherbergte das von 1907 bis 1908 errichtete Gebäude ursprünglich zunächst einen Konsumtempel und mit der Friedrichstraßenpassage die einst zweitgrößte Einkaufspassage der Stadt. Das fünfgeschossige Gebäude aus Stahlbeton weist klassische und gotische Einflüsse auf und war immer schon eine Architektur-Ikone, trug es doch über der zentralen Mittelhalle eine der ersten Stahlbeton-Kuppeln Berlins. Später wurde es unter anderem von AEG, den Nationalsozialisten sowie dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund der DDR genutzt. Nach dem Mauerfall verhinderte die Künstlerinitiative Tacheles e.V. die Sprengung des im Krieg beschädigten Gebäudes, das mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Zahlreiche Ateliers, Ausstellungsflächen, ein Kino, eine Bar sowie Räume für Konzerte, Lesungen und vieles mehr machten es zu einer festen Größe in der Berliner Kunst- und Kulturszene.

Doch der Wandel gehört zur DNA Berlins und so zogen die Künstler 2012 – nicht ganz freiwillig – aus dem Tacheles aus. 2014 erwarb die Entwicklungsgesellschaft PWR das Gelände, auf dem seit 2018 unter Erhalt der historischen Fassade ein Wohn-, Gewerbe- und Kulturkomplex entsteht, der zu den aufregendsten Stadtentwicklungsprojekten der Hauptstadt zählt. Neben der umfangreichen Sanierung der existierenden Bauten befinden sich elf weitere Gebäude zur Nutzung als moderne Büroflächen und Wohnraum, für Einzelhandel und Gastronomie im Bau. In das ehemalige Tacheles zieht eine Dependance des schwedischen Fotografie-Museums Fotografiska, die im September 2023 eröffnen soll.

KDREI PLANT KOMPLETTE KÜCHEN-INFRASTRUKTUR

Das Berliner Büro KDREI zeichnet verantwortlich für die gesamte Küchenplanung im Fotografiska-Museum, das sich über 5.500 m2 auf sechs Stockwerken erstreckt und neben einer Bäckerei und einem Bistro im Erdgeschoss auch ein Restaurant inklusive Rooftop-Bar bieten wird. „Aufbauend auf einer Vorgängerplanung haben wir hier die gesamte küchenrelevante Ausstattung der Funktionsflächen im Untergeschoss sowie die gastronomische Infrastruktur im Erdgeschoss, im ersten, vierten, fünften und sechsten Stock übernommen”, berichtet KDREI-Projektleiter Lukas Bernick. „Das beinhaltet die Gartechnik, Kühlzellen, Kleinkälte-Anlagen, Kaffee- und Spülmaschinen, Verrohrung sowie technische Bestandteile wie die Verbundanlage und Aggregate, Kabelzüge, die Schankanlagen im Erdgeschoss und in der ersten Etage sowie die Cocktailstationen im 5. und 6. OG.” Dabei erweist sich das Alter des Gebäudes wie häufig als besondere Herausforderung: „Egal, welchen vorhandenen Grundriss man zugrunde legt – sie sind eigentlich alle falsch”, kommentiert Bernick. „Unsere Planung erfordert deshalb zuverlässige Millimeterarbeit bezüglich bestehender Unterzugkonstellationen, Stützen und Durchbruchmöglichkeiten, damit hinterher auch alles passt und möglichst nah an den Plänen umgesetzt werden kann.” Außerdem müssen aufgrund der bestehenden Massivwände teilweise Kompromisse und kreative Lösungen gefunden werden, um funktionierende und wirtschaftliche gastronomische Prozesse zu etablieren.

KÜCHE IM 4. OG IST DAS ZENTRUM

Zentrum des gastronomischen Angebots ist die offen einsehbare à-la-carte-Küche im 4. Obergeschoss. Besonderes Augenmerk liegt hier unter anderem auf der 65 m2 großen, maßgefertigten Lüftungsdecke, die KDREI gemeinsam mit dem Hersteller Halton entworfen hat. „Hierbei ging es vor allem um Fragen nach dem Lüftungsbedarf oder der Feuerlöschanlage”, erklärt Bernick. Die Küchengeräte wurden so geplant, dass möglichst wenig belastete Abluft in den Raum gelangt. „Beispielsweise wurde für alle Geräte, bei denen dies möglich ist, eine integrierte Haube vorgesehen, und genau berechnet, wo im Küchenbetrieb später tatsächlich Wrasen entstehen”, ergänzt Bernick.
Allein die Planung für die Lüftungsdecke dauerte rund eineinhalb Jahre. „Wir waren als Hersteller vom ersten Pinselstrich an involviert”, lobt Gregor Althun, Gebietsverkaufsleiter bei Halton Foodservice. Vor allem zahlreiche Unterzüge an der Decke erwiesen sich als problematisch bei dem Ziel, die in der Arbeitsstättenrichtlinie vorgeschriebene Raumhöhe von mindesten 2,50 m einzuhalten. Anspruch des Herstellers ist es, dank einer vorausschauenden Planung auch die späteren Wartungskosten möglichst gering zu halten. „In Bestandsbauten wie dem Tacheles ist teilweise Uhrmacherpräzision vonnöten”, bestätigt Althun und nennt eine weitere Problematik: „Dinge wie die Feuerlöschtechnik – zum Beispiel Vorratsbehälter für Wasser zum Nachlöschen – werden leider oft bei der Planung der TGA vernachlässigt.”

MAXIMALE TECHNIK AUF KLEINSTEM RAUM

Auch bei der Planung des Küchenblocks für die à-la-carte-Küche setzt KDREI auf einen leistungsfähigen Partner: Die Küchen aus der Manufaktur Marrone nahe Venedig bieten keinen Standards, sondern sind individuelle Produkte auf der Grundlage der Wünsche und Bedürfnisse des Auftraggebers, wie Maximilian Moll, Geschäftsführer Marrone Deutschland, betont. „Mit unserer Philosophie passen wir bestens zum künstlerischen und designorientierten Ansatz von Fotografiska. Zu unseren Herausforderungen an diesem Standort gehört unter anderem die Aufgabe, maximale technische Möglichkeiten auf minimalem Raum in einer teilweise einsehbaren Küche zu realisieren – noch dazu weit oben im Gebäude.” Der Kochblock muss also für den Transport ins 4. OG möglichst kleinteilig konzipiert sein, an seinem Platz installiert aber aussehen wie aus einem Guss. „Da sollte der erste Versuch sitzen, weshalb es wichtig ist, von Anfang an alle Eventualitäten mitzudenken”, unterstreicht Moll. Viel Voraussicht war auch bei der Planung des Sockels für den Kochblock und der nebenstehenden Arbeitsflächen notwendig, nicht zuletzt, um die gewünschte Gangbreite auf der begrenzten Küchenfläche zu erreichen.

EINE GUTE KÜCHE FUNKTIONIERT FÜR JEDEN KOCH

Ergebnis ist eine Küche, in der kulinarisch sehr viel möglich sein wird, wie der Projektleiter verspricht. „Wir legen großen Wert darauf, früh mit den Menschen, die in einer Küche kochen werden, über ihre Bedürfnisse und Wünsche an ihren Arbeitsplatz zu sprechen”, sagt Lukas Bernick. „Gleichzeitig muss eine gute Küche für jeden Koch funktionieren – unabhängig von einzelnen Personen.” Eine Besonderheit im Fotografiska-Museum: Die Küche wird im Zusammenspiel mit der Innenarchitektur selbst zum Kunstwerk! „Kochblock, Boden- und Wandfliesen, Kühlzellen sowie die Lüftungsdecke bekommen eine schwarze RAL-Pulverbeschichtung”, verrät Bernick. „Das wir richtig cool aussehen!”

Leitmotive der von Fotografiska in Eigenregie betriebenen Gastronomie werden ein hoher Qualitätsanspruch und eine entsprechend nachhaltige Angebotszusammenstellung sein. Das Spektrum der im 4. Obergeschoss für alle Ausgabepunkte zubereiteten kulinarischen Offerten wird, je nach Etage, sehr unterschiedlich gestaltet – von kalten Getränken, über Döner und Snacks bis hin zu einer gehobenen à-la-carte Küche im Restaurant. Im Bistro (Erdgeschoss) reicht das Angebot vom Frühstück über Mittagstisch bis hin zum Abend. Die Bakery (EG) bietet hochwertige Kaffeespezialitäten sowie süße Teilchen und Sandwiches, Bagels oder Salate. Das 1. Obergeschoss wird im Wesentlichen für Konferenzen genutzt, für die Verpflegung der Teilnehmer stehen unter anderem drei Kühlschränke sowie fünf mobile Wägen zur Verfügung. An der Bar erhalten die Gäste Softgetränke in Flaschen sowie Bier und Wasser.

IN DIE GLEICHE RICHTUNG DENKEN

Moll lobt die „sehr angenehme” Zusammenarbeit mit den Planern von KDREI. „Wir denken alle in die gleiche Richtung: zum Wohl des Kunden und der Produkte. Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen in der Planung unsere Herausforderungen als Hersteller kennen und mitdenken. Dann können wir auch gemeinsam Probleme lösen, wie beispielsweise Kunst, die plötzlich hinter einer Folie an einer Säule auftaucht, an der wir eigentlich etwas bauen wollten.” Auch Lukas Bernick hebt die Bedeutung der engen Zusammenarbeit bei der Konfiguration von Technik, Anschlüssen und Durchbrüchen mit den Lieferpartnern einerseits und mit Fotografiska als Betreiber andererseits hervor. „Schnelle, billige Lösungen sind nicht nachhaltig. Unser Anspruch ist eine Planung, die eine Umsetzung nah am Entwurf und damit eine möglichst stressfreie Baustelle erlaubt. Dabei geht es auch darum, wichtige Punkte frühzeitig zu überprüfen. Darin sind wir stark – zusammen mit unserem Netzwerk hervorragender Partner, die ihrerseits einen hohen Aufwand treiben, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen: für den Bauherrn ein exzellentes Produkt zu realisieren.”

Fotos: Sebastian Jung – Die Identitätsmacher